Von Robert C. Summers
Wenn der Chef alles und jedes kontrolliert und bei jeder Entscheidung das letzte Wort behält, ist die Leistungsfähigkeit seines Teams zwangsläufig begrenzt. So Prof. Dr. Peter Kruse in seinen schon fast legendären „8 Regeln für den totalen Stillstand im Unternehmen“ . Unter total kontrollierten Bedingungen ist jede Entscheidung zwangsläufig immer nur so klug wie der Chef. Will eine Gruppe die natürliche Begrenztheit der Führungskraft überwinden, muss sie die Chance erhalten, Wege jenseits der Vorstellungskraft des Chefs zu beschreiten.
Mit dem Muster der transaktionalen Führung erreichen Sie das Ziel nicht. Die transaktionale Führung tendiert zwangsläufig dazu, Fehler kritisch zu beurteilen und die Vermeidung von Fehlern einzufordern. Diese Führungskultur behindert ein fruchtbares Lernen aus Fehlern. Behindert ein Fehler die Zielerreichung Ihres transaktional erteilten Auftrags lernt Ihr Mitarbeiter vor allem, Risiken tunlichst zu vermeiden. Gleichzeitig verfügen die mitleidenden Kollegen über eine weitere Mahnung, tunlichst vorgegebene Pfade nicht zu verlassen: „Wir wollen auf keinen Fall so vorgeführt werden!“. Im Extremfall erhalten Sie den legendären „Dienst nach Vorschrift“ und Ihre Mitarbeiter halten sich an das Credo: „Nur wenn wir uns strikt an die Vorgaben halten, fallen alle Mängel des Vorgehens auf die Führung zurück. Dafür ist er ja schließlich Chef geworden, damit er die Verantwortung trägt, oder etwa nicht?“
Wie kommen Sie also zu diesem Anderen? Wie erzeugen Sie diese kreative Kultur, in der Menschen bewusst das Risiko wagen, möglicherweise einen Holzweg zu beschreiten? Was können Sie tun, dass Fehlschläge laut und konstruktiv reflektiert werden und dass gemeinsam fruchtbare Lehren aus Holzwegen gezogen werden? Leading by objectives hören wir häufig, ich gehe aber bewusst einen Schritt weiter und spreche von der transformationalen Führung.
Transformationale Führung bedeutet: Klare Zielvorgabe. Es gibt einen Leistungshorizont, einen Zeitraum, einen Termin, bis zu dem ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll. Ihre Aufgabe als Führungskraft lautet: Motivation und Kommunikation, vor allem die stete Wiederholung der Zielformulierung. Sie müssen als Chef tunlichst darauf achten, was in Ihrer Gruppe von dieser Formulierung tatsächlich und in welcher Form verstanden wird. Die Beobachtung mit allen Sinnen rückt für Sie als zentrale Führungsaufgabe in den Vordergrund: Wie wirken meine Ziel- und Richtungsvorgaben? Ist das Team auf dem richtigen Kurs? Welche Zielformulierung muss ich konkretisieren? Sie überwachen die Einhaltung des Zielkorridors. Bei Bedarf variieren Sie Ihre Formulierung so, dass notwendige Konkretisierungen oder Korrekturen verstanden werden können.
In der transformationalen Führung machen Sie keine Vorgaben, wie ein Ziel konkret erreicht werden muss. Was nicht bedeutet, Sie dürften in der transformationalen Führung keine Vorschläge unterbreiten. Aus Ihren Vorschlägen muss aber klar ersichtlich werden, dass es Ihren Mitarbeitern obliegt, ob und wie der Vorschlag umgesetzt wird. Rechtliche Rahmenbedingungen, Richtlinien der Unternehmen sowie Codes of Conduct oder Ähnliches müssen natürlich beachtet werden.
Was bedeutet transformationale Führung in der täglichen Anwendung? Was bedeutet der Unterschied zwischen einem Arbeitsauftrag, der in Ausführungsform und Inhalt genau befolgt werden muss und einem Vorschlag, den eine Führungskraft anbietet?
In erster Linie das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters. Im Grunde geht es um Ihre innere Haltung als Chef. Ihre Haltung darf keinen Zweifel an Ihrem Respekt gegenüber Ihren Mitarbeitern aufkommen lassen. Natürlich kommt es immer wieder vor, dass Sie es besser wissen. Die Frage, ob der Chef es weiß, sollte zweitrangig sein. Stellen Sie lieber die Frage, welche Möglichkeiten der Mitarbeiter sieht, seine eigene Lösung für die Aufgabe zu finden. Was soll ein Mensch schon auf die Frage „Warum machst Du es nicht so und so“ antworten? Soll er sich dafür rechtfertigen, dass er es nicht wusste? Stattdessen sollten Sie als Chef Kreativität anregen. Zum Beispiel mit der bewusst offenen Frage: „Was möchtest Du als erstes ausprobieren?“ Wenn der Mitarbeiter sich ernst genommen fühlt durch Ihre authentische Neugier, wenn er den Mut hat zur Offenheit hat, wird er eine Lösung vorschlagen.
Nun die zweite Falle. Wir urteilen sehr gerne. Und wir urteilen gerne schnell. Urteilen Sie nicht! Stattdessen die Frage: „Was wird passieren, wenn wir diesen Weg gehen?“. Mit offenen Fragen wenden wir uns den Möglichkeiten eines Vorschlags zu, den guten wie den schlechten. Letztlich sollte der Mitarbeiter in der Lage sein, die guten Antworten von den schlechten zu unterscheiden.
Transformationale Führung basiert vor allem auf Vertrauen. Es basiert auf dem Vertrauen in die Mitarbeiter, die über genügend Wissen und Vorstellungskraft verfügen um eine gute Lösung zu finden. Sie als Chef leiten an zum Finden von Lösungen. Nehmen Sie Abschied von der Idee, alle Antworten selbst zu finden und vorzugeben.
Weitere wichtige Merkmale der transformationalen Führung sind: Partizipation und Befähigung, also die Ausstattung mit den erforderlichen Kompetenzen. Partizipation bedeutet, alle Mitarbeiter im Team teilhaben lassen an allen Informationen die das Team oder die Gruppe betreffen. Besonders wichtig: Transformationale Führung erfordert Mut: Von Ihnen und Ihren Mitarbeitern. Ist das Klima von Respekt und gegenwärtiger Wertschätzung geprägt, entwickelt sich der Mut zur Offenheit um auch Neuland zu betreten. Viele Lösungen werden denkbar, die Sie sich eingangs nicht vorstellen konnten. Noch weitere Aspekte fordern Ihren Mut als Chef: In dem Sie zumindest teilweise auf Entscheidungs- und Problemlösungshoheit verzichten, entsteht vordergründig der Eindruck der Ersetzbarkeit. Zudem müssen Sie bereit sein, die volle Schwankungsbreite im Lösungsfindungsprozess auszuhalten – oft auch entgegen Ihren persönlichen Überzeugungen.
Aber der Weg lohnt sich: Im Zuge Ihrer transformationalen Führung erwächst für Sie eine neue Form der Autorität: Sie verantworten einen äußerst spannenden Prozess und sorgen damit für eine neue Dynamik, hohe Zufriedenheit und Identifikation Ihrer Mitarbeiter mit dem Team und der Aufgabe. Am Ende geht das Team für Sie durchs Feuer!
Eines der herausragenden Beispiele für die erfolgreiche Implementierung des transformationalen Gedankens ist die Wahlkampforganisation von Barack Obama. Als Barack Obama am 4. November 2008 zum 44. Präsidenten der USA gewählt wurde, ist dies vor allem ein Erfolg seines Teams und die konsequente Umsetzung der drei Führungsprinzipien Respect!, Empower!, Include!
Die Obama Campaign for Change hatte im Zeitraum Herbst 2007 bis November 2008 geschätzte 6 Millionen Freiwillige mobilisiert und über 650 Millionen US-Dollar an Spenden eingetrieben. Neben der Höhe des Spendenbetrags ist besonders bemerkenswert, dass die Hälfte der Spenden in Einzelspenden von maximal 250 Dollar je Spende bezahlt wurde. Das ist einsamer Spitzenrekord. Noch nie wurde soviel von so vielen Bürgern für eine politische Kampagne gespendet.
Wie sah die Mobilisierung der Freiwilligen in der Praxis aus? „It’s not about me. It’s about you!“, rief Obama seinen Unterstützern zu. Er forderte die Menschen auf, sich für die politischen Themen zu engagieren, die ihnen am Herzen lagen. Er überließ es dabei jedem einzelnen, in welcher Form er sich engagieren wollte: Am Telefon, in der Überlassung eines Wohnzimmers oder einer Küche für die anderen Engagierten, im Dialog an Tausenden von Haustüren, beim Kuchen backen oder Kuchen verkaufen, als Vor-Ort-Organisatoren (Field Organizers), als Ordnungskräfte bei öffentlichen Versammlungen. Jeder war in der Lage genau das einzubringen, worin er oder sie gut war und was er oder sie gerade gut erübrigen konnten.
Der Entfaltungsrahmen in Unternehmen ist zwangsläufig enger als in einer klassischen Grass-Roots-Bewegung im politischen Prozess. Und dennoch ist die Analogie einfach und offensichtlich: Menschen arbeiten vor allem dann mit hoher intrinsischer Motivation, wenn man an sie und ihre Leistungsfähigkeit glaubt und wenn man ihnen den Rahmen gibt, sich entsprechend ihrer Möglichkeiten zu entfalten.
An den Menschen und seine Fähigkeiten glauben beziehungsweise vertrauen drückt sich aus im Imperativ „Respect!“ Den Rahmen zur Entfaltung geben wird gelebt durch Empower! Die Identifikation mit dem gemeinsamen Ziel und das Gefühl im Team willkommen zu sein, lebt vom „Include!“
Transformationale Führung ist Ausdruck weniger von Taten als viel mehr von Haltung. Wenn wir das Ziel verfolgen, best mögliche Lösungen zu unseren Herausforderungen zu finden, profitieren wir von motivierten Kollegen, die sich willkommen fühlen bei der Lösung der gemeinsamen Aufgabe und der Mobilisierung des gesamten Potentials, das den Freiraum zur Entfaltung erhält.
Wollen Sie mehr darüber erfahren, wie Sie zu Ihrem persönlichen Stil finden und Ihre Mitarbeiter besser führen? Sprechen Sie mich an!
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